Timothy – Für dich …

Ich fand Jane neben ihrem Vater. Schroff wies er sie zurecht, weil die Waren nicht ordentlich festgebunden waren. Er meinte, dass sie etwas unterwegs verloren hätten, dass er Jane am liebsten zu Fuß durch den Schnee jagen wollte, bis sie es wiederfand!

Ein Teil von mir, hätte sich darüber gefreut. Dann könnte sie dem Pfarrer und diesem dummen Exorzisten entkommen!

Aber wenn sie starb …

„Verzeihung. Es wird nie wieder vorkommen, Vater“, sprach sie so gefasst und unterwürfig, dass es mir wehtat.

„Das hoffe ich für dich!“, fluchend wandte er sich endlich ab.

Erst danach sah sie auf. Ein eigenwilliger Gesichtsausdruck begrüßte mich. Er schrie von Ungerechtigkeit. Von Angst. Von Schmerzen.

„Er hatte alles allein festgebunden und mich geschlagen, als ich helfen wollte“, flüsterte sie in den Stall, „Ich habe das Seil nie berührt … weißt du?“

Nickend streckte ich den Arm nach ihr aus. Ich wollte sie drücken. Ich wollte ihr Kraft spenden. Ich wollte für sie da sein!

Nur … Hätte ich das Recht dazu?

Nur wegen mir hielt man sie für eine Hexe …

„Du solltest von hier verschwinden. Bitte“, offenbarte ich stattdessen.

„Ach, Timmy …“, sie seufzte, „Mein Vater ist zwar manchmal etwas … schroff, aber er meint es nur gut. Ich kann nicht einfach-“

„Das meine ich nicht! Ich … Es tut mir leid! Nur weil du mit mir geredet hast, halten dich der Pfarrer und der Exorzist für eine Hexe! Sie wollen dich verbrennen und … dann …“

„Gott stellt uns viele Prüfungen, aber jenen mit reinem Herzen wird nichts passieren. Mache dir also bitte keine Sorgen, ja?“

„Aber Gott ist doch nur- Ich meine … Wer sagt, dass er wirklich …“

„Ach, Timothy. Deine übernatürliche Anwesenheit ist doch Beweis genug, dass es einen Gott gibt“, lächelnd wandte Jane sich ab.

Verdattert starrte ich auf ihren Rücken. Das konnte sie doch nicht ernst meinen, oder? Was hatte ich schon mit einem Gott zu schaffen? Ich war doch nur … nur …

Schmerzlich wurde mir wieder bewusst, dass ich überhaupt nichts wusste. Ich wusste nur, dass ich Jane beschützen wollte. Dass ich ihr folgen und sie zur Rede stellen wollte! Jedoch fürchtete ich mich vor den Antworten. Ich … Ich wollte nicht, dass sie sich von mir abwandte.

Ich wollte nicht allein sein.

Ein Windstoß fegte durch den Stall. Ich glaubte, Worte in ihm zu vernehmen. Meinen Namen.

Aber als ich mich umdrehte, war ich allein. Allein in einem geschlossenen Stall.

Zornig schwebte ich in die Kirche zurück. Jedoch nicht in die Messehalle. Nein. Diesmal trug mich meine Wut bis in die Schlafgemächer des Pfarrers. Ich stoppte in der dunklen Kammer. Meine Augen glitten über den Nachttisch. Papiere und Tinte stapelten sich neben einem Kerzenstummel. Und ein Siegel.

Das Siegel der Kirche.

Dabei benahmen sich die Männer wie die Herren des Teufels!

Erschrocken sprang ich zurück, als sich die Kerze von selbst entflammte. Von selbst? Nein. Meine Wut hatte sie entzündet! Freudig tanzte die Flamme auf dem Docht. Als hätte sie mich vermisst.

Ich schluckte.

Unschlüssig streckte ich die Hand nach ihr aus. Doch nun schien das Feuer sein Eigenleben zu verlieren. Dabei hatte es erst so freudig erstrahlt. So-

Das Licht dimmte sich herab und nun hörte ich, wie der Pfarrer seufzte. Er schlief so friedlich in seinem weichen Bett …

Dabei wollte er Jane tot sehen!

Erneut stieg der Zorn in mir empor. Er schrie wie ein wildes Tier. Er stürzte sich auf den Geistigen. Wollte ihn verschlingen und-

Aus dieser winzigen Kerze entstieg ein feuriges Ungetüm. Es baute sich immer höher auf – ich spürte geradezu, wie es sich von meiner Wut nährte! Es war ein Wunder, dass dieser Mistkerl es nicht bemerkte und-

Wegen mir glaubte Jane, dass es einen Gott gab.

Der Gedanke durchbohrte mich so plötzlich, so ungefragt, dass er meinen Zorn zurückdrängte. Die Flammen wurden immer kleiner. Immer schwächer. Ich … Wenn ich diesen Mann tötete … dann wäre Jane sicherlich sauer auf mich, oder?

Geschlagen ließ ich den Kopf hängen.

Es musste eine andere Lösung geben.

Es musste!

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