Minki und das Vogelhaus I

(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Dass die Zweibeinerin komische Dinge tat, war nichts Ungewöhnliches. Es war Gang und Gäbe, dass Minkis Retter sie mit ihrem Unfug gewähren ließ. Deswegen hingen im Frühjahr auch immer diese bunten Eier an den eckigen Bäumen. Manchmal setzte sie noch schiefe Hasenfiguren daneben. Aber in diesem Frühling …

Neugierig beobachtete der Kater, wie die Felllose das kleine Häuschen zusammenbaute. Sie hatte es mit auf den Balkon genommen und schien sich nicht entscheiden zu können, wo es denn nun bleiben sollte. Lieber auf dem Tisch? Oder im Blumenkasten? Oder doch auf dem Fensterbrett?

Als ob es nicht schon verrückt genug war, so einen winzigen Schuppen aufzustellen! Da passte ja keine Katze rein – geschweige denn ein Zweibeiner. War das wieder irgend so eine ulkige Dekoration? Wie der Baum, der im Winter die Stube versperrte? Oder die Blumen, die im Wasserbad den Tisch schmückten?

Gähnend rollte sich Minki auf die Seite.

Warum bemühte er sich überhaupt noch, die Frau seines Retters zu verstehen? Seine Zeit war zu kostbar, um sie mit dieser Verrückten zu verschwen-

Knistern.

Sofort spannten sich die Ohren des Katers an. Er reckte sie in die Richtung des Geräuschs. Würde es sich lohnen, aufzustehen? Waren das Leckerlies? Ja. Er glaubte. Aber er musste sich erst versichern. Er musste ganz sicher sein! So sehr er sich auch schon die Lippen lecken wollte, er durfte keine Schwäche zeigen. Er musste ihr weiß machen, dass er sich zu ihr herabbemühte, um ihre schwachen Hände von den schweren Leckerbissen zu befreien. Auf keinen Fall sollte sie denken, dass er die braunen Kugeln haben wollte.

Rascheln. Knistern.

Kein Rufen.

Unruhig streckten sich Minkis Ohren in ihre Richtung.

Wieso rief sie ihn nicht? Das tat sie doch sonst immer! Waren es doch keine Leckerlies? Aber … Nein! Er kannte das Geräusch! Dieses leise Tack-tack, das die braunen Kugeln immer machten, wenn sie gegeneinander stießen! Das … Was sollte das?! Das war sein Futter! Wie konnte sie es in die Hände nehmen und ihn nicht rufen?!

Knistern.

Rascheln.

Schritte.

Stille.

Einen Moment blieb der Kater noch verdutzt liegen. Sein Schwanz zuckte unruhig. Am liebsten wollte er fordernd jaulen. Aufspringen! Stattdessen drehte er sich vorsichtig um und begutachtete den Balkon.

Die Zweibeinerin war reingegangen. Zusammen mit seiner Tüte! Sie hatte seine Leckerlies einfach wieder weggebracht! Was fiel dieser Felllosen eigentlich ein?!

Zornig erhob er sich und sprang auf den Tisch. Hier hatte sie gestanden. Hier hatte er seine Leckerbissen gehört. Genau hier! Das waren seine gewesen! Was hatte sie damit gemacht? Hatte die Zweibeinerin sie selber gegessen? Wie konnte sie nur! Wie-

Sein Blick huschte über das kleine Häuschen. Er erkannte einige Formen im Inneren. Einige … Moment.

Irritiert hielt er inne. Dann steckte er die Nase an die Öffnung und schnupperte.

Da lag etwas drin. Kleine, runde Murmeln. Sie sahen ein bisschen so aus, wie seine Leckerlies. Also. Manche. Andere ähnelten eher kleinen Steinen. Oder diesen komischen Körnern, die bei seinem Retter immer am Brot klebten. Und der Geruch …

Lecker war der nicht.

Mit gerümpfter Nase zog Minki den Kopf zurück. Das wollte er sich nicht zu lange antun. Lieber begutachtete er die Seiten des winzigen Gebäudes. Diese bepinselten Bilder, die die Zweibeinerin dort hinterlassen hatte.

Angemalte Blumen und Fenster. Aus einem guckte ein Vogel hinaus.

Unwillkürlich sah der Kater erneut hinein. Doch in dem kahlen Innenleben befanden sich nur die komischen Krümel. Kein Federvieh.

Erleichtert schüttelte sich Minki und eilte in die Stube. Irgendwie war ihm die Lust aufs Sonnen vergangen. Denn neben so einem gruseligen Haus wollte er nicht die Augen schließen.

Am Ende würde er wieder von den Federviechern verfolgt werden!

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