Minki und die warmen Tage I

(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Die kalten Tage kümmerten Minki in der Wohnung der Zweibeiner nicht. Sie waren einfach nur da: Kürzere Sonnenzeiten. Längere Nächte. Ein gelegentlicher Windzug, wenn er vor dem falschen Fenster lag.

Zumindest waren die Zimmer immer warm und kuschelig. Er bekam pünktlich seine Mahlzeiten – wenn auch wenig – und die Zweibeiner hatten mittlerweile sogar verstanden, wann sie ihn streicheln durften.

Die kalten Tage kümmerten ihn nicht …

Dafür aber die warmen.

Denn an warmen Tagen wurde sein Jagdinstinkt geweckt. Er wollte spielen. Er wollte toben. Er wollte frei sein! Ach, wie sehr sehnte Minki sich nach ein paar Bäumen oder gar der Gelegenheit, einfach zu rennen. Mit seinen Ballen über den Boden zu fliegen. Seine Krallen in die Erde zu versenken. Vielleicht noch ein kleines Tier zu erlegen. Sich auf dem Rasen zu aalen. Die Stille der Wohnung gegen die Geräusche der Natur einzutauschen …

Sein Retter verstand ihn.

Nun ja, es war anfangs nicht sonderlich ersichtlich gewesen. Als der Zweibeiner mit diesem grässlichen Korb ankam – dieses Gefängnis, in das er Minki immerzu sperrte, wenn sie irgendwo hinfuhren – befürchtete der Kater das Schlimmste. Er glaubte, dass ihn der Mann wieder zu diesen weiß-pelzigen Zweibeinern bringen wollte. Zu diesen Monstern, die ihn abtasteten und wehtaten!

Stattdessen ging es – mit der Familie seines Retters und ganz viel Gepäck – ins Paradies.

Garten. Die Zweibeiner nannten diesen himmlischen Fleck Erde Garten. Ein grüner, eingezäunter Ort mit zwei Gebäuden, einer viel zu großen Badewanne und ganz vielen Bäumen! Dort war kein Lärm der Stadt zu hören. Dort wuchsen überall Pflanzen. Dort schwirrten Tiere umher. Insekten. Vögel. Durch die Äste huschte ein rotes Geschöpf, das viel zu schnell wieder verschwand-

Minki war sprachlos. Er war fassungslos. Er war überwältigt.

Aufgeregt jaulte er seinen Retter an, bis dieser endlich diesen verfluchten Korb öffnete. Er beachtete den Zweibeiner kaum, der irgendetwas sagte. Seine Aufmerksamkeit galt den komischen Vögeln hinter einem der Zäune. Dann einem gelb-schwarz gestreiften Insekt. Dann einem entfernten Bellen.

Erschrocken rannte Minki in ein Gebüsch. Der kühle Schatten umarmte ihn liebkosend. Der Kater genoss das Gefühl. Er sprang an den Stamm eines Baumes und kletterte hinauf. Dort beobachtete er kurz die Zweibeiner. Nahm Anlauf. Flog auf das Dach der einen Hütte. Sah, wie groß die im Boden eingelassene Badewanne war. Wandte sich ab.

Es gab so viel zu erforschen. Zu erkunden. Zu entdecken!

Diese warmen Tage waren ein Segen. Das erste Mal seit Monaten konnte Minki sich sein Essen selbst fangen. Und was das für Leckerbissen waren! Adieu, weggeworfenes Essen, mit dem er sich vor seiner Rettung begnügen musste. Adieu, Ratten, die eher seinem Magen wehtaten, als diesen zu befüllen. Adieu, Katzenfutter, das immer denselben Beigeschmack trug.

Nein. Die Mäuse und Vögel, die der Kater hier fing, waren köstlich. Sie schmeckten nach Freiheit. Nach zartem Fleisch. Saftig. Einmalig.

Minki wollte für immer in diesem Paradies verharren.

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