
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebte ein König auf seiner Insel. Dieser König hatte sieben Söhne, aber nur eine Tochter, welche jede Krankheit magisch anzog. Stets wurde sie von Husten oder Fieber geplagt, sodass sich der König immerzu um sie sorgte. Und so kam es, dass er seine Söhne vernachlässigte, die sich bald darauf alle als alleinige Erben sahen.
Jeder wollte nach dem Tod ihres Vaters das Reich regieren. Denn jeder sah sich selbst als perfekten Nachfolger an. So war der erste sehr geschickt in der Buchführung, der zweite hatte die Kunst der Diplomatie mit dem Festland erlernt, der dritte war in der Schiffsfahrt und der Meereskunde bewandert, der vierte wusste jede Nahrung herzustellen oder gar anzubauen, der fünfte war ein Gelehrter des Tempels, der mit Auszeichnungen überhäuft wurde, der sechste wusste jedes Tier zu besänftigen und für seine Zwecke zu gewinnen, der siebte lenkte die Stimme des Volkes mit seinem Gesang.
Wie konnten die Gaben der anderen Brüder wichtiger als die eigene sein? Geschweige denn für eine kränkliche Schwester ignoriert werden?
Was für ein Thor der König doch war! Denn er sah den Wettstreit der Brüder nicht. Dafür hatte der König einzig Augen für seine geliebte Tochter. Ein Kind, das jeden Tag an des Todes Schwelle tanzte.
Als es nun mit ihm zugrunde ging, so hatte er seine Nachfolge genauso vernachlässigt wie seine Söhne selbst. Es kam, wie es kommen musste und die Brüder stritten um ihr Geburtsrecht. “Ich”, “Ich”, “NEIN, ICH!” erklang es so laut durch das Schloss, dass die Insel bebte.
Schluchzend und von Schüttelfrost heimgesucht trat die Prinzessin vor ihre Brüder: “Der Körper unseres lieben Vaters ist kaum kalt und ihr streitet euch um sein Erbe? Wie düster muss es doch in euren Herzen aussehen.”
Statt sich zu reflektieren, schnaubten die Brüder nur verächtlich.
“Du hast gut reden!”, erklärte der Älteste, “Für dich war Vater jeden Tag da. Wir jedoch, wir waren kaum mehr wert als ein zerbrochener Teller. Ist es da so verwunderlich, dass wir ebenso viel Liebe übrig haben?”
“Ihr könnt immer noch lieben”, widersprach das Mädchen eifrig, “Ihr alle. Ihr müsst es nur wollen. Ich weiß es – wir sind vom selben Blut. Wir sind eine Familie!”
“Wir müssen es nur wollen?”, nun trat der Jüngste vor, “Du hättest noch in Mutters Leib verrecken sollen, damit wir die Leben bekommen hätten, die uns zustünden. Wir waren nie eine Familie, Schwester!”
Die Stimme des jüngsten Bruders verzauberte diesmal nicht nur die Menschen der Insel, sondern auch die Insel selbst:
Scheppernd riss er Boden entzwei und sieben Risse taten sich unter dem Schloss auf. Diese bildeten sieben neue Inseln – eine für jeden der Brüder. Einzig die Prinzessin blieb in dem Schloss ihrer Familie zurück.
In einem Schloss, das auf wundersame Weise unbeschädigt blieb, während es auf den Grund des Meeres sank. Unentwegt füllten sich ihre Lungen mit Wasser. Und während die neuen Könige zwar dem grausigen Tod wie durch ein Wunder entkamen, so ließ sich dasselbe nicht über die Prinzessin oder gar die Bediensteten sagen.
Wie konntet ihr nur?, zum ersten Mal kroch der Hass in ihr Herz, Wie konntet ihr euch nur so von Vater abwenden? Er hat euch das Leben geschenkt!
Wenn ihr ihm wirklich trotzen könnt, so mag ich eure Verdammnis sein!
Als die einst so sanftmütige Prinzessin Rache schwor, veränderte sich ihr Körper. Schuppen bildeten sich auf ihrer Haut, Schwimmhäute zwischen den Fingern. Ihre Haare fielen ihr aus und ihre Zähne wuchsen zu denen eines Raubtiers heran.
Und all die Bediensteten, die mit ihren letzten Atemzügen um ihre Leben bettelten, bekamen mit einem Kuss der Prinzessin eine ähnliche Gestalt geschenkt.
Sie waren die ersten Meernixen. Die Rachegeister des letzten wahren Königs. Für nach seinem Tod, erkannten sie einzig die Prinzessin als Herrscherin der Inseln an.