(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Minki stolzierte mauzend an der jüngsten Zweibeinerin vorbei durch den Flur. Sein Blick glitt über das Chaos, das er erneut angerichtet hatte und für das die Felllose gerade stehen musste. Alles lag im Gang verteilt: Große Schuhe, kleine Schuhe, stinkende Tuben, Tücher, eine seltsame Bürste … Es war mühevoll gewesen, das Zeug zu verteilen, aber der Anblick war es allemal wert!
Immerhin war der Streit Musik in seinen Ohren. Er genoss es, der Frau seines Retters zu lauschen. Wie sie mit der Anderen meckerte. Wie das Gezeter hin und her ging. Wie sie ihn ignorierten.
Keiner vermutete seine Tücke!
Zufrieden schob der Kater sein Näschen in die Höhe. Endlich hatte er morgens wieder mehr Platz auf dem Sofa! Immerhin waren zwei der drei Zweibeiner gerade mit anderen Dingen beschäftigt und sein Retter zog eh den gepolsterten Stuhl vor.
Sessel nannte der Mann diesen Ort. Ein seltsames Wort. Aber es sah bequem aus. Weich. Warm. Minki hatte sich schon früh dazu entschlossen, dieses Polster seinem Retter zuliebe zu verschonen.
Wenn auch nur, weil der Mann sein Essen trotz der Streits nicht vergaß.
Schnurrend glitt Minkis Blick über die schlafende Form des Felllosen. Er sah zu den eckigen Bäumen hinüber. Lauschte den keifenden Stimmen im Flur. Ließ die Heimtücke durch seine Gliedmaßen wandern. Genoss das Gefühl der Macht. Genoss das Gefühl, etwas erreicht zu haben!
Über die letzten Wochen hatte er so viel Chaos angerichtet. Chaos, für das er unbestraft blieb. Er hatte alles Mögliche aus den eckigen Bäumen gezerrt. Er hatte die Sachen durch die ganze Wohnung geschleppt. Immer darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen, die auf ihn deuteten.
Warum also aufhören? Warum sollte er diese Grenzen nicht ein wenig weiter austesten? Sein Retter schlief eh. Die anderen beiden waren mit dem Durcheinander im Flur beschäftigt. Minki jedoch war wach, satt und ausgeruht.
Könnte er einen weiteren eckigen Baum öffnen und leerräumen, ehe die Zweibeiner losmussten?
Seine Stunde der Wahrheit nahte.
Entschlossen sprang der Kater vom Sofa herunter und wählte per Zufall eine der Türen aus. Der Schlüssel steckte und starrte ihn verpönend an. Allerdings kümmerte Minki sich nicht darum. Dieses Stück Metall konnte sich ihm nicht lange widersetzen!
Er warf einen zügigen Blick über die Schulter. Auf die schlafende Form seines Retters. Dann machte er sich ans Werk.
Pfotenspitzengefühl war gefragt. Jede noch so kleinste Bewegung könnte ihn wieder von vorne anfangen lassen. Und wenn er den Schlüssel versehentlich herauszog, hatte er verloren. Sein Talent der Ruhe und Besonnenheit war gefragt. Beides Dinge, von denen sich Minki zumindest einbildete, sie zu besitzen.
Es klickte.
Er zog den Schrank auf.
Stockte.
Minki drehte seine Ohren auf der Suche nach dem unerwarteten Geräusch nach hinten.
Einem Geräusch, das einem Luftholen glich.
Langsam wandte der Kater den Kopf um.
Er versuchte ein überraschtes und vor allem unschuldiges Mauzen von sich zu geben. Jedoch war er sich ziemlich sicher, dass die alte Zweibeinerin es ihm nicht abkaufte. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Sie schüttelte den Kopf. Schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Runzelte die Stirn.
Minki schob sich näher an seinen Retter. Er verkroch sich erst zwischen dessen Beinen. Dann hinter dessen Sessel. Außerhalb ihrer Reichweite, wie er hoffte. Fort. In Sicherheit.
Und sie lachte ihr wahnsinniges Lachen der Rache.