B: Zwischen Traum und Erinnerung

„Du und Oli?“, hinterfragte ihr Vater zum vierten Mal.

Mittlerweile nickte Liane nur noch still, während sie sich ein Stück Gurke in den Mund steckte. Es war sinnlos, die Wahrheit zu leugnen. Immerhin hatte ihr Vater gesehen, wie Oliver sie nach Hause gebracht hatte. Ungeduldig hatte er auf sie gewartet. Er hatte sie erwartet gehabt. Sie. Nicht ihre Begleitung. Nicht den Kuss.

Dabei hatte letzteres sie ebenso überrumpelt.

„Hatte er dir …?“, unschlüssig wedelte ihr Vater mit den Armen umher und warf dabei fast seinen Teller vom Tisch. Er hatte sein Abendessen noch nicht angerührt. Stattdessen kämpfte er mit jedem zweiten Satz.

Angespannt hielt sie diesmal inne: „Was meinst du?“

„Deine Freundin. Die neulich hier war. Shiwo? Shino?“

„Shiloh“, korrigierte das Mädchen vorsichtig.

„Genau! Sie sprach von Liebeskummer und-“

„Nein“, abrupt stand Liane auf, „Lass es. Das ist … Das ist meine Sache, in Ordnung? Ich mache das allein.“

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Minki und die Schränke II

(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Minki stolzierte mauzend an der jüngsten Zweibeinerin vorbei durch den Flur. Sein Blick glitt über das Chaos, das er erneut angerichtet hatte und für das die Felllose gerade stehen musste. Alles lag im Gang verteilt: Große Schuhe, kleine Schuhe, stinkende Tuben, Tücher, eine seltsame Bürste … Es war mühevoll gewesen, das Zeug zu verteilen, aber der Anblick war es allemal wert!

Immerhin war der Streit Musik in seinen Ohren. Er genoss es, der Frau seines Retters zu lauschen. Wie sie mit der Anderen meckerte. Wie das Gezeter hin und her ging. Wie sie ihn ignorierten.

Keiner vermutete seine Tücke!

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Minki und die Schränke I

(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Minkis Hobbys waren begrenzter Natur. Immerhin schränkte die Stadtwohnung viele seiner Freiheiten aufs Diabolischste ein. Die Fenster blieben die meiste Zeit verschlossen, die Tür nach draußen verriegelt, der Besuch fiel einfach nur mickrig aus und keiner dieser Gäste wusste seine königliche Anwesenheit angemessen zu würdigen!

Alles in allem hatte der Kater wenige Möglichkeiten, sich den Tag zu versüßen. Klar, er konnte sein Fell auf den Polstern hochwürgen oder sich Essen stehlen, Wände ankratzen, auf die eckigen Bäume klettern und dort Dinge runterkicken oder versehentlich das Katzenklo verfehlen. Aber irgendwie war der Frau seines Retters immer viel zu schnell bewusst, dass er der Übeltäter hinter alledem war.

Die alte Zweibeinerin hatte ihn so oft fluchend den Flur hinuntergejagt und mit diesen lästigen Kittelträgern oder Essensverboten bedroht. Es waren Horrorvorstellungen, auf die unser Protagonist dankend verzichten konnte.

Wie gut, dass Minki also kein gewöhnlicher Kater war. Während die meisten Exemplare seiner Art sich wohl schlafend zusammengerollt und ihr Schicksal in allen neun Leben akzeptiert hätten, so entschied er sich, stattdessen seinen Horizont zu erweitern.

Wenn auch nur, um es dieser felllosen Monstrosität heimzuzahlen.

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