K: Aus dem Sturm

„Ernsthaft, Flo?“, murmelte Paul ungehört, als er die Actionfigur seines Stiefbruders auflas.

Sie war nicht der einzige Gegenstand, den der Jüngere im Rasen liegen gelassen hatte. Daneben lagen ein verrostetes Fahrrad, eine offene Tüte Gummitiere und ein Fußball. Und noch ein Stück weiter konnte Paul eine Decke mit einem Buch erkennen. Moment. War das Flos verschollenes Englischbuch?!

„Ich werd‘ nicht mehr …“, kopfschüttelnd schaute er in den verhangenen Himmel. Würde sein kleiner Stiefbruder je allein in der Welt zurecht kommen?

Ein Regentropfen landete auf seiner Wange.

„Hilft doch alles nichts“, seufzend sammelte er das Schulbuch und die Fressalien auf. Am liebsten hätte er die Figur wieder auf den Boden geworfen. Um Flo eine Lektion zu erteilen. Als er jedoch das abgewetzte Gesicht erkannte, hielt er inne.

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Fujis Entschluss

„Danke“, flüsterte er Alpe zu, als Sabine langsam über den Horizont schielte und die Lichter verblassen ließ.

Er würde den nächtlichen Anblick nie vergessen.

„Nicht dafür“, belustigt wandte sich die andere Wolke ab und wollte bereits weiter fliegen.

„Doch! Nach den Sternen … und nach Sabine … Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie einsam ich mir vorgekommen war. Es hatte sich so angefühlt, als wäre die ganze Welt gegen mich gewesen. Aber nun …“

Fuji stockte. Er hatte in der Nacht den wahren Grund verstanden. Er wusste nun, warum er sich nicht ergossen hatte. Ein Teil von ihm war zu verletzt gewesen. Er wollte nicht, dass die Welt unter ihm prachtvoll gedeihen könnte, während er Schmerzen litt.

Er war so egoistisch gewesen.

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Fujis Überraschung

„Noch nicht“, belehrte ihn Alpe erneut und mürrisch richtete die Wolke ihre Augen in die Höhe.

„Ich weiß“, beharrte Fuji, „Aber je mehr du mich warten lässt, desto neugieriger werde ich!“

„Na, na. Du willst dir doch nicht deine eigene Überraschung kaputt machen, oder?“

Seine eigene Überraschung … Das gefiel der Wolke! Bislang hatte sich noch nie jemand darum bemüht, ihn zu überraschen. Gewiss war es den Sternen nicht in den Sinn gekommen und die anderen Wesen … Die anderen Wesen kannte er ja gar nicht richtig. Er hatte sich nie ernsthaft mit ihnen beschäftigt. Stets hatte er seinen Fokus auf die Sonne oder die Erdoberfläche gelenkt. Er war den Vögeln ausgewichen, hatte nie das Gespräch mit den anderen Wolken gesucht, war einzig an den bunten Blumen und Bäumen interessiert gewesen …

Bis er gesehen hatte, dass sie auf dem trockenen Boden nicht gedeihen konnten.

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Fujis Unwissenheit

„Wow“, staunend schwebte Fuji zwischen den Bergen durch, die ihn zu beiden Seiten überragten, „So etwas hätte ich nie erwartet!“

„Du bist nicht viel rumgekommen, oder?“, entgegnete Alpe lachend.

Eigentlich wollte er verneinen, jedoch … Er war am meisten gereist, als er damals Sabine einholen wollte. Damals hatte er kein Interesse für seine Umgebung gehabt. Und davor, in seinem letzten Leben …

Nun. Zu dem Zeitpunkt war die ganze Welt noch eine andere gewesen. Fuji war zwar viel umhergeflogen, allerdings meist nur im Kreis. Es waren immer dieselben Wälder, Flüsse und Täler unter ihm vorbeigezogen. Erst als er mal etwas anderes, als er an die Wüstengrenze erblickt hatte, hatte er sich ergossen.

Für das Leben.

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K: Die Grün-Augen-Kobolde II

„Was. Habt. Ihr. Euch. Dabei. Gedacht!?“

Die Worte knallten wie Kanonenschüsse durch Robbys Kopf und mit jedem Peng zuckte er etwas mehr zusammen. Verunsichert suchte er nach Isabels Hand. Seine Schwester erwiderte seine Geste fürsorglich. Doch ihre Mine blieb dabei genauso verängstigt, wie er sich fühlte.

Einzig Christoph ließ sich nach außen hin nichts anmerken. Er stand auf Isabels anderer Seite auf dem Treppenabsatz. Den Rücken durchgedrückt. Die Schultern gespannt. Die Augen harsch auf Sabine gerichtet.

„Was denn? War doch lustig“, säuselte er beinahe vergnügt.

Das Gesicht ihrer Betreuerin lernte neue Rottöne kennen.

„Lustig?“, wiederholte sie, „Wirklich? Lus-tig?“

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