Minki und die Kuckucksuhr II

(Nach sehr vielen wahren Geschichten.)

Minki starrte unnachgiebig auf das kleine Häuschen. Kein Ticken, kein Surren entging ihm. Er war sogar so vertieft in den stetigen Rhythmus, dass er nichts anderes mehr wahrnahm. Dass er auf nichts anderes mehr achtete …

Er musste diesen Vogel fang-

Erschrocken sprang der Kater auf, als plötzlich die Hand seines Retters auftauchte. Sie war aus dem Nichts gekommen. Hatte ihn liebevoll gestreichelt. Hatte ihn aus seiner Konzentration gerissen!

Minki legte seine ganze Empörung in einen gedehnten Mauzer und sogleich lachte der Zweibeiner auf. Ein vertrautes Wort fiel.

Sogleich sprang der Kater auf und folgte seinem Retter in die Küche.

Es ging um Fressen!

Ungeduldig schlängelte sich Minki um die zwei Beine, während er auf seinen Retter wartete. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie hungrig er bereits war. Also, hungriger als sonst. Denn eigentlich war er ja immerzu hungrig!

Der Felllose stellte ihm seine Schale hin und genüsslich machte sich der Kater darüber her. Er ließ keinen Krümel zurück. Verputzte alles, als würde er nie wieder etwas bekommen. Leckte ihn jedes Mal au-

Ein Schrei.

Nein. Nein. Nein. Nein! Zu früh! Zu FRÜH!

Hastig leckte er ein letztes Mal über das Porzellan, ehe er in die Stube rannte.

Der zweite Schrei.

Jaulend sprang Minki zum Thron seines Retters. Erblickte den Zweibeiner darin. Drehte sich in der Luft. Knallte auf den Boden!

Der dritte Schrei.

Kopfschütteln. Am Felllosen vorbei flitzen. Dann eben die Armlehne hoch!

Der vierte Schrei.

Der Kater war endlich oben angekommen. Direkt unter dem Häuschen. Er musste nur noch die Pfote ausstrecken und-

Der fünfte-

-zuschnap-

-Schrei.

Eine Hand fuhr dazwischen.

-pen.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Minki auf die Finger seines Retters, die sich zwischen ihm und dem Häuschen befanden. Seine Zähne hatten sich leicht in das Fleisch gebohrt. Nicht doll. Immerhin hatte er noch rechtzeitig die Bewegung des Zweibeiners gesehen.

Dennoch schmeckte er Blut im Mund.

Vorsichtig ließ Minki los und leckte vorsichtig über die Wunde.

Sein Retter lachte gutmütig.

Der Scham kroch dem Kater in die Knochen. Er wandte den Blick ab. Fühlte sich schäbig. Dreckig. Undankbar!

Von all den Wesen dieser Welt, bedeutete ihm nur sein Retter etwas. Ihn wollte er niemals verwundet sehen. Ihn hatte er ins Herz geschlossen. Und nun hatte er ihn verletzt …

Eine große Hand strich über seinen Kopf.

Minki blickte nicht auf.

Stattdessen sprang er unter den Tisch und rollte sich zusammen. Er wollte in Selbstmitleid versinken. Er wollte-

Knarren. Tocken. Etwas klirrte.

Neugierig blickte er unter dem Tisch hervor und beobachtete, wie sein Retter das Häuschen von der Wand nahm. Er holte einige glänzenden Stöcker von nebenan. Steckte sie hinten in das Häuschen. Hantierte damit herum-

-und kniete kurz danach neben Minki, um ihn den kläglichen Vogel zu zeigen.

Er war aus Holz.

Verständnislos beschnupperte der Kater ihn. Wie konnte das sein? Er schrie doch ständig auf! Wie konnte er also nicht echt sein?

Lachend baute sein Retter den Vogel wieder im Kasten ein und obwohl das Holztier fortan immer noch zu jeder Stunde hinaus schaute, so schrie er nimmermehr auf.

Der Spuk hatte endlich ein Ende.

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