M: Im Auge des Schützen III

„Du bleibst bis Schulschluss hier. Verstanden? Wenn dich jemand anderes abholen möchte, gehst du nicht mit. Nicht bei Papa, nicht bei Oma, nicht bei Opa. Ja?“, Jennifer drückte ihre Tochter an sich.

„Hm“, ihre kleine Flocke klang nicht begeistert.

„Bitte, Ann. Mama und Papa müssen heute zur Richterin. Wir müssen-“

„Du willst Papa ersetzen“, behauptete ihre Tochter und wandte sich aus der Umarmung, „Das ist nicht fair … Warum können wir nicht wieder alle zusammen sein? Wir sind doch eine Familie …“

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie war so zart, so zerbrochen, so hilflos … Es brach Jennifer das Herz.

Aber es musste sein. Marius hatte sie verraten. Er war fremdgegangen. Er hatte sie beide beiseite geworfen!

Er hatte Jennifer hierzu gezwungen.

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M: Im Auge des Schützen I

„Sie schläft endlich“, seufzte Jennifer und ließ sich aufs Sofa fallen.

„Du pamperst sie zu sehr“, behauptete Jennifers Mutter sofort, „Ann ist alt genug, auch allein einzuschlafen.“

Die junge Mutter nickte nur stumm. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sonst würden ihre Eltern von der Affäre ihres Mannes erfahren. Und dann könnte sie sich auch gleich vor die Tür setzen!

Denn in einer gesunden Ehe dürfte es keine Affären geben.

„In ein paar Tagen sollte der Nachbar mit seinen Umbauten durch sein. Dann können wir wieder zurück, ohne jeden Morgen um fünf geweckt zu werden“, behauptete sie leise, „Zum Glück ist Marius eh unterwegs. Geschäftsreise. Wenn wir euch aber stören, kann ich gerne Miete für mein altes Kinderzimmer zah-“

„Papperlapap!“, unterbrach Jennifers Vater wie immer gutmütig, wenn sie Geld anbot, „Wir freuen uns, dass ihr hier seid. Ihr kommt so selten her! Was meinst du? Wollen wir morgen etwas unternehmen? Vielleicht ins Aquarium?“

„Etwas unternehmen? Ich bin morgen verabredet! Und Jennifer hat uns immer noch nicht erklärt, warum Ann zum Abendessen geweint hat! Also? Jennifer!“, warf ihre Mutter dazwischen.

Jennifer zuckte zusammen. Ihre Hände verkrampften sich. Erneut musste sie an ihre Tochter denken. Ann hatte sich so verzweifelt an sie geklammert. Immer wieder hatte sie nach ihrem Papa gefragt.

Und sie hatte einfach nichts sagen können.

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B: Glück im Unglück im Glück?

Er knotete sich seine Krawatte um. Kein Kleidungsstück, das er mit Freuden trug. Es würgte ihn zu sehr. Es erstickte jedes Freiheitsgefühl im Keim. Und es zwang ihm eine weitere Verkleidung auf … Jedoch musste Chem Wak sich damit abfinden. Immerhin erleichterte es sein Leben ungemein.

Seufzend zerrte er seinen Anzug zurecht. Es war ein aussichtsloser Kampf. Zumindest für die Gestalt im Spiegel. Ein Fremder schaute aus der kühlen Scheibe zurück. Er begegnete seinem Blick. Er sah verloren-

Chem Wak wandte sich ab.

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