M: Die Entscheidung

„Wir können nicht länger in Centy bleiben“, begrüßte Jane den Vater ihrer Kinder, sobald er durch die Tür kam.

Blinzelnd starrte er sie an. Er wirkte überfordert – aber das war nichts Neues für sie. Danni kam ihr öfters etwas verpeilt vor. Lisa hatte ihn sogar als langsam beschrieben. Zurück in Merichaven hätte es sie genervt, alles fünfmal zu erklären. Es war ineffizient. Zeitaufwendig! Doch seitdem sie dem Ort den Rücken gekehrt hatte, wusste Jane:

Sie brauchte diesen Ruhepol. Er war der Grund, warum sie ihre hastigen Entscheidungen immer noch einmal überdenken musste. Wegen ihm konnte sie nicht einfach aufspringen und losrennen, wenn die Unruhe sie heimsuchte. Sie konnte ihn nicht zurücklassen.

Danni war vielleicht ein Dussel, doch er war ihr Dussel!

„Dieser Ort ist nicht richtig. Er ist … wie ein Spiegelbild?“, versuchte sie, seinem schief gelegten Kopf zu erklären.

„Ein Spiegelbild?“, nachdenklich marschierte er zum Fenster.

Jane seufzte. Sie stand auf, durchquerte den Flur, schloss die Wohnungstür, schaute kurz ins Kinderzimmer und eilte dann ihrem Freund hinterher. Es war ihre eigene Schuld. Wieso musste sie ihn auch so überfallen? Der Mann würde seinen Kopf verlieren, wenn er nicht festgewachsen wäre!

„Ja“, bestätigte sie mit erzwungener Ruhe, „Spiegelbild.“

Er brummte. Nickte. Wandte sich ihr zu.

„Soll ich die Fenster dann lieber nicht mehr putzen?“

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K: Die stille Stiefschwester

Tapp. Tapp.

Hastig zerrte Chris die Zwillinge von der Treppe weg. Verdammt! Zu früh, zu früh! Sie durften noch nicht entdeckt werden. Erst recht nicht neben dem Ort des Geschehens! Melanie und Florian würden ihnen sofort an die Kehle springen. Deren Zimmerkameraden hingegen … Na ja. Vielleicht gäbe es ein kurzes Zögern, aber anschließend würden sie die GAKs ausliefern. Ihre einzige Alternative wäre …

Ohne weiter darüber nachzudenken, schob er seine jüngeren Freunde in das dritte Zimmer auf der Etage. Wer auch immer gerade käme, hier drinnen würde er sie nicht vermuten.

Und das wäre wohl auch das Wichtigste, nachdem sie all die Sammelfiguren nebenan mit den Puppenkleidern des anderen nebenans geschmückt hatten.

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K: Die Grün-Augen-Kobolde I

Isabel rührte lustlos in ihrem Mittagessen herum. Irgendein Auflauf. Sabine, die Betreuerin des Waisenhauses, hatte ihn vorhin zusammengewürfelt, doch konnte er das Mädchen nicht minder interessieren. Essen war nur eine Aufgabe.

Essen. Trinken. Schlafen. Aufstehen und Funktionieren … Das waren alles nur Aufgaben.

Aufgaben, in denen sie keinen Sinn sah.

„Ich weiß, es ist schwer“, erklärte ihr Stiefbruder Paul zum wiederholten Mal, „Aber Anja muss ihr eigenes Leben bewältigen. Und ihr eures. Verstehst du?“

Isabel blickte lustlos zu dem Älteren. Dann über die anderen besorgten Gesichter hinweg zu ihrem Zwilling Robby, der zumindest an seiner halben Scheibe Brot knabberte.

Er sah so müde aus …

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M: Blühende Hoffnung

„Was machst du da?“

Überrascht sah Sophie zu ihrem jüngeren Bruder auf. Sie hatte nicht erwartet, dass er zu ihr in den Garten kommen würde. Nicht zu dieser Jahreszeit, wo es noch so bitterkalt draußen war. In der Stube warteten immerhin der laufende Fernseher und ein paar Schokoladenkekse auf ihren Tyler!

Und in einem anderen Leben würde sie sich vielleicht dazugesellen …

„Ich pflanze ein paar Blumen. Damit es im Sommer schön aussieht“, erklärte sie ihm und stieß die Schaufel wieder in den Boden, um ein weiteres Loch in den Boden zu stechen.

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M: Das ist nicht fair!

„Du hast dich besser zu benehmen, Sophie!“

Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen. Zu selten hob ihre Mom die Stimme. Und noch viel seltener erhob sie die Stimme ihr oder Marie gegenüber. Aber seit einer Weile schien ihre Mutter extrem missmutig auf ihre älteste Tochter zu sein. Und diese konnte einfach nicht verstehen, woran es lag!

„Das ist nicht fair … Marie und ich … Wir haben beide-“

„Zieh nicht deine Schwester mit rein!“, donnerte ihre Stimme wie ein Gewitter, „Wer von euch hat das Babyphone runtergeworfen?!“

„Es war ein Versehen!“, rief Sophie verzweifelt aus – sie spürte, wie Tränen aus ihr ausbrechen wollten, „Wir haben doch nur Ball spielen wollen! Marie hat geworfen und ich habe ihn nicht gefangen und dann ist er gegen Dads Tasche. Die hat das Babyphone runtergeworfen. Nicht wir! Wir haben nur-“

Sie brach ab. Plötzlich sah sie zur Seite. Ihre Sicht war weiß. Krisselig. Ihre rechte Wange glühte. Ein Pochen hallte in ihren Ohren wider. Ein stetiges Pochen, das alle anderen Geräusche verdrängte, bis-

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