Duftende Erinnerungen

Manche Erinnerungen sind gestochen scharf,
Rezitieren kann ich sie im Schlaf. 
Die Farben sind ein Ticken zu grell, 
Der Klang des Echos so klar und hell.
Die Gerüche habe ich jedoch fast vergessen, 
Dennoch können sie mich nun erpressen.

Steigt mir die Zimtnote in die Nase, 
Beginnt die Weihnachtsekstase!
Petersilie erinnert mich an warme Tage, 
Gemüsesuppe an die kulinarische Plage.
Gebratene Zwiebel und gebratenes Ei
Ersehnen eine nette Plauderei.
Doch der Duft von Zitrone
Versendet Glückshormone
Und sie feuern wie Zyklone
Durch all meine Neurone!

So viele Gerüche mögen mich necken,
Nur müssen sie mich erst aufwecken.
Bis dahin weiß ich nicht, was sie aushecken, 
Sie müssen erst die Gegenwart beflecken. 

Erinner‘ ich mich an gestern zurück, 
Sehe ich nur das alltägliche Glück, 
Aber welchen Duft mein Kopf sich pflückt?
Welchen er mir für gestern aufdrückt?

Das weiß ich erst in mehreren Jahren,
Wenn meine Zellen sie sicher verwahren.

K: Nach vorn oder zurück?

Schweigend beobachtete TJ das Waisenhaus. Es lag so abgelegen von der restlichen Welt – beinahe versteckt. Nur eine einzige, einsame Straße führte an dem riesigen Gebäude vorbei, das von Shizens Wäldern verborgen lag. Wenn die Apokalypse einträfe, würde man hier nichts davon mitbekommen.

Und wenn hier ein Unglück geschehen würde …

Besser hier, als woanders, versuchte er sich einzureden.

Ist klar, meldete sich John, seine zweite Seele, mürrisch zu Wort, Lass mich wissen, wenn du es wirklich ernst meinst.

Kopfschüttelnd lief TJ am Waldrand entlang. Er achtete darauf, nicht gesehen zu werden. Wenn man ihn sah, würden die Leute ihn ansprechen. Dann müsste er sich mit einer fremden Person beschäftigen. Dann müsste er höflich bleiben, obwohl er am liebsten-

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B: Ein nächtlicher Besucher II

„Mit meinen Eltern ist alles geklärt. Ich bleib heute Nacht hier, damit wir ein Gruppenprojekt fertig bekommen. War die beste Ausrede, okay?“, murmelte Shiloh, während sie ihr Handy weglegte und den letzten Bissen ihrer Pizza verschlang.

„Hm“, Liane zuckte mit den Schultern.

Ihr eigenes Essen lag noch fast vollständig im Karton. Es fehlte nur ein Stück. Das, welches sie ihrer Freundin überlassen hatte.

„Wir können immer noch die Polizei rufen und-“

„Nein“, entschlossen schüttelte Liane den Kopf, sodass ihre Zöpfe umherpeitschten, „Nein. Ich … Ich glaube nicht, dass sie wiederkommt. Das würde keinen Sinn machen.“

„Du meinst, weil sie Geld dagelassen hat?“, Shiloh lehnte sich gegen das Bett. Sie hatten es sich auf dem Teppich gemütlich gemacht. So waren sie nicht durch das Fenster zu erblicken.

„Es wirkte wie eine Entschuldigung. Für den kaputten Blumentopf“, erschöpft schob Liane den Pizzakarton von sich und umarmte ihre Beine.

Wieso war das Leben nur so kompliziert?

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Der Blick zurück

Der Wind zupft an meinem Haar
Und erinnert mich ans vergangene Jahr.
An alles, was ich wollt‘ vergessen.
An alles, was mich wollt‘ stressen.

Der Wind will, dass ich mich umdreh‘.
Der Wind will, dass ich ihn versteh‘.
Der Wind will, dass ich zurückgeh‘.

Der Wind weht in die falsche Richtung.

Müde starre ich zum Horizont.
Ob die Sonne nun bald kommt?
Ob sie diesmal heller strahlt?
Ob sie mit mehr Farbe malt?

Und wieder zerrt der Wind an mir …

Nein! Ich darf mich nicht beugen!
Ich darf die Zukunft nicht verleugnen!
Ich muss nach vorn seh’n.
Ich muss weitergeh’n!

Dennoch schauen meine Augen zurück.
Kurz nur. Für einen winzigen Augenblick.
Sie sehen ein Lächeln, sie sehen Tränen.
Sie erkennen all diese Schemen.

Nostalgie schleicht sich stumm in mein Herz.
Sie zieht mich seitwärts, vorwärts, rückwärts.
Orientierungslos wanke ich hier.
Dennoch ist nun Wärme in mir.

Der Wind hat sich gelegt.

Gutes wie Schlechtes.
Schlechtes wie Gutes.

Jeder befindet sich irgendwo dazwischen.

Lachend begrüße ich die neue Sonne.
Diese zärtliche Wonne.
Dieses neue Jahr.

Das Neue wird genauso sonderbar.

Fujis zweite Sabine

„Du … Du kannst ja sprechen“, verdattert starrte Fuji auf den Mond.

„Natürlich“, antwortete der Stein erneut mit Sabines Stimme, „Du doch auch.“

„Ja, aber …“, Fuji sah sich hilfesuchend um – aber außer dem Mond und den entfernten bunten Lichtern, war niemand zu sehen, „Du bist ein Stein!“

„Und du eine Wolke“, erwiderte der Mond gelassen.

„Aber du hast sonst auch nicht gesprochen. Du hast noch nie gesprochen!“

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