Timothy – Die Saat der Hoffnung …

Viel zu lange blickte ich auf Janes Grab herab. Es fühlte sich falsch an, dass dieses Mädchen als Oma die Welt verlassen hatte, während ich noch was-? Ein Kind war?! Denn genauso unbedeutend war ich doch! Ich war nur ein dämliches Kind, das von fast niemandem gesehen wurde!

Warum war ich eigentlich noch hier?

„Ach, Jane“, flüsterte ich in die Nacht. Ich wusste nicht, ob ich mir ein Zeichen erhoffte. Ich musste einfach ihren Namen aussprechen. Vielleicht, damit ich ihn nicht vergessen würde? So wie die Welt mich vergessen hatte?

Dabei wünschte sich ein Teil von mir sehnlichst eine Antwort. Aber der andere betete unentwegt, dass sie nicht umherirren müsse. Sie sollte von dieser Welt Abschied nehmen können. Sie sollte nicht umherirren müssen. Sie … Sie hatte etwas Besseres verdient.

Als die Sonne über den Horizont kroch, glitt ich zurück ins Haus. Still huschte ich durch die Wände und begutachtete zum ersten Mal die oberen Zimmer. Überall konnte ich Spuren einer glücklichen Familie entdecken: Dort hatte jemand in eine Bibel gemalt. Hier waren einige getrocknete Blumen wirr zusammengesteckt worden. Und da hinten zierte ein einzelnes Foto die Wände.

Sie hatten ein Familienbild aufnehmen lassen. Obwohl ich drei der Gesichter nicht kannte, konnte ich sofort alle zuordnen. Ich konnte die Liebe in den Augen von dieser Marianne sehen. Und die Freude in denen von Gretle. Und dieser Jonathan …

Einzig seinen Blick wusste ich nicht zu deuten.

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Timothy – Hinterlassen in Ruinen …

Stumm lauschte ich Timmys Erzählungen über seine Großmutter. So hatte meine Jane noch vor ihrem sechzehnten Namenstag jemanden namens Oliver geheiratet und eine Tochter namens Marianne bekommen. Doch noch ehe das Mädchen laufen konnte, verstarb der Vater. Deswegen zogen die beiden zu dem alten Ehepärchen, das einst Jane aufgenommen hatte. Gutherzig vermachten sie ihnen das Haus. Von daher war das Leben zwar nicht einfach, aber durchaus machbar gewesen.

Einige Jahre später kam ein Reisender ins Dorf. Jonathan. Er war jung, stark, besaß Gold und verfiel Janes Tochter Marianne vom ersten Augenblick an. Auch diese schloss ihn herzlichst in ihr Herz und so hatten sie sich ein gemeinsames Leben aufgebaut. Zuerst kam Margarete, die jedoch alle nur Gretle nannten, dann Timothy und zuletzt die kleine Juliette. Alles war so friedlich gewesen. So traumhaft.

Bis ein anderer Reisender Jonathan beschuldigte, ein Verräter der Krone zu sein. Er wäre an einem Aufstand beteiligt gewesen. Anschuldigungen prasselten auf sie ein. Beleidigungen wurden durchs Dorf geschrien. Jonathan schwor, dass er nichts getan hätte. Dass er unschuldig wäre!

Dennoch ließ er seine Familie zurück und floh in die düstere Nacht, ehe die Soldaten des Königs erschienen.

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Am Abgrund

Ernste Themen sollten nie totgeschwiegen werden.
Deswegen schreibe ich in meine Gedichte ja seit jeher in einem eher düsteren Unterton. Diesmal fühle ich mich jedoch verpflichtet, hierbei eine Triggerwarnung zum Thema Suizid rauszugeben.

Bitte seid gewarnt und geht verantwortungsbewusst mit dem Inhalt/Weiterleiten um.

Beste Grüße
Medra

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B: Traumplagen II

Die gesichtslosen Leute umkreisten Liane tuschelnd. Es war ein leises Tuscheln. Vereinzelt konnte sie ein paar Silben ausmachen, aber die meisten dröhnten sich gegenseitig aus. Jemand schnaubte abfällig. Dann war da wieder der eine Satz, der sich stets am Rauschen vorbeischob. Der eine Satz mit dem alles anfing. Der eine Satz, der ihre Alpträume bestimmte:

„Der Teufel hat sie geschickt – soll sie doch zu ihm zurückkehren!“

Erschrocken drehte Liane sich um. Doch die grauen Gestalten blickten nur unbeteiligt durch den Nebel zurück. Keine von ihnen schien gar Notiz von dem Mädchen mit den zwei Flechtzöpfen zu nehmen.

Sie kam sich so klein und unbedeutend vor …

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