Timothy – Zusammen allein …

Ich fand ihn im Dorf wieder. In demselben Dorf, in dem ich Jane zurückgelassen hatte. In demselben Dorf, dessen Straßen dieselben Wege entlangliefen. In demselben Dorf, das nun dennoch so anders aussah …

Wo kamen die ganzen neuen Häuser her? Warum wirkte die Kirche so alt und schäbig? Auch die Gehwege erschienen mir so … stabil?

Unschlüssig betrachtete ich den Marktplatz von den umliegenden Dächern. So viele Leute tummelten sich da unten herum. Dazu noch all diese Stände! Komisch. Woher kamen die ganzen Waren? Die Hälfte davon wusste ich nicht einmal zu benennen!

Der Junge schlich sich durch die Menge. Immer wieder fielen seine hungrigen Augen auf die Lebensmittel. Jedoch blieb er nicht stehen. Wer stehen blieb, wurde von den Verkäufern eindringlich gemustert. Das würde-

Flink schnappte er sich einen Apfel und ließ ihn in den Falten seiner zu großen Kleidung verschwinden. Direkt zu dem Brötchen, das er zuvor ergaunert hatte.

Wieder hatte niemand ihn bemerkt.

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Verzwickte Sprache

Die Welt mag fürs Kind
Ungewöhnlich sein.
Die Welt mag fürs Kind
Verdreht erschein‘n.

So soll es sich über Bienenstiche freuen?
Auf keinen Fall darüber heulen?
Warum muss das Geld zur Bank gehen?
Will man es im Park nie wiedersehen?
Und warum will man Fliegen am Kragen?
Sollte man über das Insekt nicht klagen?
Was soll das Eselsohr im Buch?
Ist ein Laster doch kein Fluch?

Sprache ist ein verzwicktes Spiel.
Sie führt nicht immer zum selben Ziel.

Fragen über Fragen.
Keiner kann es recht sagen.
Es ist zum Verzagen,
Zum Angsteinjagen –
Ist es der Knoten im Magen?

Die Krone gehört doch auf den Kopf!
Der Kamm fährt durch den Zopf.
Der Hering kommt nicht in den Boden!
Den Strauß sollte man doch loben?

Sprache ist ein verzwicktes Spiel.
Sie führt nicht immer zum selben Ziel.

Egal, wovon die Rede ist,
Ob von Kiefer, Tau oder Mist.
Ob nun umfahren heißt: Drum herum?
Oder hindurch mit Gebrumm?
Ob mit Komma oder ohne,
Interessiert Kinder nur die Bohne!

Für sie muss es einzig Sinn ergeben.
Für sie ist es ein Bestreben.
Ein wahres Beleben!

Denn Kinder stellen die Fragen,
Die wir längst vergessen haben,
Während wir das Alte pflegen,
Es stur zusammenkleben.

Dabei ist Sprache ein so schön verzwicktes Spiel
Und glänzt mit mehr als nur einem Ziel.

Aus aktuellem Anlass, da wir bereits vieles davon in der Sprachentwicklung unserer Zwillinge (3) beobachten konnten. Ihre Herangehensweise ist ein wahrer Genuss! Cx

Timothy – Die grüne Tinte …

Die ganze Nacht wachte ich neben dem schlafenden Pfarrer. Ich konnte nicht anders. Ich konnte nicht verstehen, wie Jane an ihrem Glauben gegenüber Gott festhalten konnte, wenn die Leute Gottes sie doch Tod sehen wollten! Womit hatte sie das verdient? Sie war nur ein Mädchen! Nur ein Mädch-

Genau wie Evangeline.

Ja. Evangeline und ich … wir waren auch nur Kinder gewesen. Und dennoch hatte man unsere Leben verlangt. Welcher Gott war so grausam? Welcher Gott war so-

Der Mann vor mir rührte sich. Schwerfällig setzte er sich auf und streckte die Arme in die Höhe. Seine Gelenke knackten leise. Er erhob sich gähnend. Seufzend. Schlürfte so orientierungslos durch seine Gemächer und-

Obwohl er mich nicht sah, zog er einen Bogen um mich? Ha! Wenn er nur die Augen aufreißen könnte! Wenn er mich sehen könnte! Wenn …

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DSdP: Prolog – Farbenspiel

Kräftiger. Heller. Lebhafter. Bunter. Ja. Bunter. Sie mussten bunter werden!

Seine linke Hand packte fester zu. Er spürte, wie ihn Gefühle einnehmen wollten. Doch zwang er sie fort. Diese Gefühle zählten nicht. Sie durften nicht zählen. Nein. Denn …

Er strich über das Heiligtum in seinen Händen.

Er musste vorsichtig sein. Wenn er es vermasselte –

Der Faden färbte sich grün.

Beziehung lächelte müde.

Leben drehte sich seufzend um. Ihre violetten Augen wanderten über ihn. Noch immer meckerte sie über die zerstörten Betten. Sie reparierte gerade das zweite. Richtete gelegentlich das Wort an ihn.

Nur vermochte Beziehung kaum, sich darauf zu konzentrieren.

Sie hatte noch zwei Betten vor sich.

Er jedoch noch dutzende Fäden.

Vorsichtig ergriff der Gewandelte die nächste Verbindung, die die Schöpferin mit einem der anderen verband.

Neugier tauchte vor seinem inneren Auge auf.

Ihre leeren Augenhöhlen.

Tod.

Beziehung zögerte, ehe er diesen Faden begutachtete.

Nein.

Daran durfte er jetzt nicht denken!

Der Frust überkam ihn so plötzlich und so nachdrücklich, dass er diesen Faden beinahe zerquetscht hätte. Er atmete tief durch.

Nur er konnte die Fäden sehen. Nur er konnte sie verändern. Nur er konnte ETWAS verändern.

Also musste er es doch tun?

Für die anderen im Tal.

Für seine Kinder.

Für Zeit.

K: Für unseren Sohn II

Die ersten Absonderlichkeiten fielen Thomas vier Wochen später auf.

Ihre Nachbarn schienen abends immer einen Teller mit Essen vor die Tür zu stellen. Keine Essensreste wohlgemerkt. Sondern richtige Menüs! Teilweise gingen sie sogar extra dafür einkaufen oder verzichteten auf ihren Nachschlag, um ihre Opfergabe vollständig darbieten zu können! Irritiert hatte er Selina nach dem Grund gefragt, doch sie schüttelte nur ratlos den Kopf.

„Die Leute hier sind anders. Sie sind zwar freundlicher und offener. Aber ihre Angewohnheiten sind … eigenartig. Ist dir aufgefallen, dass die Teller am nächsten Tag immer leer sind, Thomas? Aber man findet keine Pfotenabdrücke oder andere Spuren drum herum …“

„Vielleicht waren es Vögel?“

„Vielleicht …“

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