B: Ursachensuche

Die Bilder der Zukunft wurden mit jedem Mal verschwommener. Sie schwankten zu sehr zwischen verschiedenen Versionen: Versionen, in denen Leute starben. In denen sie überlebten. In denen sie depressiv wurden. In denen sie sich abwandten und sich wieder vertrugen …

Dabei hatte Chem Wak gehofft, dass sein Brief eine friedliche Zukunft stabilisieren würde!

Seufzend massierte er sich die Schläfen und wog alle Möglichkeiten erneut ab. In keiner schien Liliths Stiefvater noch gewaltsam sterben zu müssen. Gut. Damit konnte er ihr diese Trauer wohl ersparen. Aber als Kehrseite würde ihn der Mann daran hindern, mit ihr in Kontakt zu treten.

Eher würde ihr Stiefvater sie irgendwo einweisen lassen, als ihre Erinnerungen zu unterstützen.

Nachdenklich schaute er durch die getönten Scheiben zu dem großen Haus herüber. Er ignorierte, wie Mr. Brume ihn beobachtete. Stattdessen setzte sich Chem Wak ein neues Vorhaben in den Kopf. Eine Absicht, die er sich selbst einbrannte, ehe seine Welt ins Schwanken geriet. Alles drehte sich. Stimmen verdrehten sich. Gefühle purzelten durch ihn hindurch-

Dann befand er sich in seinem Büro.

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B: Hervorbrechende Erinnerungen

Es war bereits nach drei Uhr morgens, als Liane die Geräusche von unten vernahm: Klimpern. Leises Poltern. Schritte.

Vorsichtig setzte sie sich in ihrem Bett auf und blickte zu Shiloh herüber. Eigentlich hatte ihre Freundin erst nach Liane einschlafen wollen. Als sie jedoch nur noch gähnen konnte, hatten sie sich gemeinsam ins Bett gelegt.

Sofort war das andere Mädchen im Land der Träume versunken.

Knirschen.

Entschlossen stand Liane auf und entriegelte ihre Zimmertür. Sie musste schnell hindurch schlüpfen, damit das Licht von nebenan Shiloh nicht wecken würde. Und noch schneller musste sie die Tür wieder schließen, ehe ihr Vater bemerkte, dass sie Besuch hatten.

Eines nach dem anderen.

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B: Aus dem Schatten

„Du sollst sofort zurück ins Büro kommen … oder stellt das ein Problem dar?“, brummte Mr. Brume ins Telefon, „Na gut. Lass dir aber nicht zu viel Zeit. So ungehalten habe ich Mr. Belial schon lange nicht mehr gesehen.“

Chem Wak lauschte dem kurzen Tüten. Dem Rascheln von Stoff. Den Schritten. Dem leisen Atmen…

Reflexartig sog er selbst Luft ein und ließ sie einen Moment später wieder entweichen. Er neigte den Kopf zur Seite. Nickte stumm.

„Vorzüglich“, lobte er seinen Fahrer und deutete auf einen freien Stuhl.

Beinahe erleichtert setzte sich der andere Mann.

„Ich bitte vielmals um Verzeihung. Wenn Oliver nur-“

Chem Wak wank entschieden ab: „Er sollte nie mit ihrem Schatten verschmelzen. Wir alle brauchen früher oder später mal Zeit für uns. Also: Nicht weiter der Rede wert.“

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B: Von allen Seiten belagert

Liane war noch nicht einmal im Haus, als ihr Vater sie bereits an sich drückte. Starke Arme strichen über ihren Rücken. Er flüsterte einen Dank in ihre Haare. Es klang wie ein Gebet. Wie-

„Wo warst du?!“, abrupt schob er sie hinein und klammerte sich in ihren Schultern fest.

Das Mädchen schluckte. Noch immer fühlte sich ihre Tasche so schwer an. Diese neuen Zeichnungen schienen so viel mehr zu wiegen. Sie so viel mehr zu belasten …

„Entschuldige … Ich habe die Zeit vergessen“, erklärte sie leise.

„Die Zeit?“, eine seltene Strenge schlich sich auf sein Gesicht, „Liane. Bitte gib mir keine lächerlichen Ausreden. Ich habe mit deiner Klassenlehrerin gesprochen. Ich habe deine Freunde durchtelefoniert. Ich … Ich weiß, dass dein Unterricht heute Morgen ausfiel und dass du etwas verbirgst. Ich weiß es.“

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B: Konsequenzen

Chem Wak begutachtete das Haus unruhig. Es würde nie seinen Geschmack treffen, doch das musste es ja auch nicht. Es war nicht seines …

Ein Fenster im ersten Stock wurde geöffnet. Er konnte Umrisse dahinter ausmachen. Ein Mädchen. Allein.

Sachte klopfte er gegen den Beifahrersitz und sofort setzte sich das Auto in Bewegung.

Es war noch nicht soweit.

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