B: Reingelegt? II

Mr. Michels war ein genervter, aber effizienter Lehrer, der selten seine Geduld präsentierte. Er forderte Shiloh als erstes auf, ihre Tasche auszuhändigen, doch schob Liane ihre dazwischen.

Sicher ignorierte sie den besorgten Blick ihrer Freundin. Was man auch finden würde, würde eben gefunden werden. Es hinauszuzögern brachte nichts.

Griesgrämig öffnete der Lehrer ihre Schultasche. Seine Augen verengten sich. Er schloss die Tasche wieder. Knurrte.

„Dann darfst du Miss Lavendel gleich einmal begleiten, Liane“, bemerkte er.

„Dürfte ich erst erfahren, weswegen?“

Verärgert schüttelte er den Kopf: „Weswegen?“

„Ja“, sie umklammerte ihrem Talisman fester, „Ich möchte-“

„Ach, nun hör schon auf und geh einfach mit! Wir haben keine Zeit für deinen Mist!“, rief Betty von hinten.

Shiloh fauchte etwas zurück. Jemand lachte.

Liane wandte ihren Blick nicht von dem Lehrer ab.

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B: Reingelegt? I

„Bis nachher“, flüsterte Oliver ihr zu und drückte Liane kurz an sich.

„Treffen wir uns wieder vor der Bibliothek?“

„Hm, ich dachte-“

„Dass ihr Turteltäubchen schon spät dran seid“, unterbrach Shiloh mit wedelnden Händen, „Na los. Das ist nicht deine Klasse.“

„Jawohl“, lachend eilte Oliver den Gang runter. Liane beobachtete ihn noch einen Moment, ehe sie sich ihrer Freundin zuwandte. Nur war diese bereits auf dem Weg zu ihrem Tisch.

„Sind wir so schlimm?“, erkundigte sie sich zaghaft.

Die Frage musste einfach raus. Sie selbst konnte es nicht einschätzen. Das hier war ihre erste Beziehung, verflixt nochmal! Ging es zu schnell? Zu langsam? War es zu intensiv? Zu flach? Sobald Oliver nicht mehr bei ihr war, schlichen sich die Selbstzweifel an-

-und verschmolzen den Talisman mit ihrer Hand.

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B: Zwischen Traum und Erinnerung

„Du und Oli?“, hinterfragte ihr Vater zum vierten Mal.

Mittlerweile nickte Liane nur noch still, während sie sich ein Stück Gurke in den Mund steckte. Es war sinnlos, die Wahrheit zu leugnen. Immerhin hatte ihr Vater gesehen, wie Oliver sie nach Hause gebracht hatte. Ungeduldig hatte er auf sie gewartet. Er hatte sie erwartet gehabt. Sie. Nicht ihre Begleitung. Nicht den Kuss.

Dabei hatte letzteres sie ebenso überrumpelt.

„Hatte er dir …?“, unschlüssig wedelte ihr Vater mit den Armen umher und warf dabei fast seinen Teller vom Tisch. Er hatte sein Abendessen noch nicht angerührt. Stattdessen kämpfte er mit jedem zweiten Satz.

Angespannt hielt sie diesmal inne: „Was meinst du?“

„Deine Freundin. Die neulich hier war. Shiwo? Shino?“

„Shiloh“, korrigierte das Mädchen vorsichtig.

„Genau! Sie sprach von Liebeskummer und-“

„Nein“, abrupt stand Liane auf, „Lass es. Das ist … Das ist meine Sache, in Ordnung? Ich mache das allein.“

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B: Mund auf …

Sich mit jemanden unterhalten zu wollen, war eine Sache. Leider war es eine gänzlich andere, das besagte Gespräch in die Wege zu leiten. Zumindest für Liane.

Fünfmal traf sie Oliver noch vor der zweiten Hofpause. Fünfmal wollte sie etwas sagen. Und fünfmal lief sie lieber schweigend davon.

Sehr zu Shilohs Vergnügen.

„Mund auf, eine Prise Ehrlichkeit in die Worte und schon wird es klappen“, hatte diese ihr nach dem letzten Mal zugeflüstert.

Einfacher gesagt, als getan!

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B: Der Talisman

Der Brief begleitete sie tagein, tagaus: Zum Schlafen legte sie ihn unters Kopfkissen. In der Schule steckte er in ihrer Hosentasche. Beim Duschen lag er direkt auf ihren Wechselsachen. Nach wenigen Tagen hatte sie ihn schon so oft gefaltet, dass er an den Kanten auseinanderfiel! Aber da sich jedes Zeichen davon bereits in ihren Kopf gebrannt hatte, scheute sie sich nicht, ihn auch durch das Laminiergerät zu schieben.

So war es sicherer. Nur so konnte niemand versehentlich über den Inhalt stolpern. Weder ein Klassenkamerad …

… noch ihr Vater.

„Wann willst du eigentlich mit Oli reden?“, riss Shiloh sie aus ihren Gedanken und überrascht erkannte Liane, wer direkt vor ihnen zur Schule lief.

„Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand sie leise und drosselte sofort das Tempo.

Wieso lief ihr der Junge auch überall über den Weg?!

Oder kam es ihr nur so vor?

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